Alex will kein Opfer mehr sein
Nordwest-Zeirung, 12. Februar 2011
Präventionstheater Berliner Schauspieler spielen vor Bookholzberger Realschülern
Das Stück zeigte die Ursachen und möglichen Folgen von Mobbing. Sein Appell: Schaut nicht tatenlos zu. VON KAROLINE SCHULZ
BOOKHOLZBERG - Alex ist am Ende: Mit einer Pistole auf die eigene Schläfe gerichtet steht der 17-Jährige in seinem Zimmer. Surreal wirkt an dieser Stelle das Frohlocken der Mutter aus dem Off, die dem Sohn mitteilt, dass sie nun zu ihrer Freundin fahre. In Wirklichkeit, das weiß Alex, ist sie auf dem Weg zu ihrem Liebhaber. Alex Vater ist derweil auf Montage. Aber das macht nichts, denn für Alex' Sorgen hat er ebenso wenig Interesse wie die Mutter.
Von der ersten Szene an, die eigentlich den Schluss des Stücks „Und dann kam Alex" abbildet, sind die beiden Schauspieler des Berliner Tournee-Theaters Radiks ganz dicht dran an ihrem Publikum und dessen Nöten: Es geht um Ausgrenzung und Gewalt, Beziehungslosigkeit innerhalb der Familie, Drogen- und Alkoholkonsum, Zukunftsangst. Protagonist Alex gehört, genau wie die Siebt- und Achtklässler der Realschule Bookholzberg, die vor der Bühne sitzen, zur „Generation Praktikum". Viele von ihnen werden sich einen Ausbildungsplatz mühsam verdienen müssen.
Alex hat ganz normale Wünsche: Er möchte dazugehören, ernst genommen werden, eine Perspektive haben. Und vor allem möchte er nicht mehr das Opfer sein, das bestohlen, getreten und beleidigt wird. In einer Mutprobe schlägt er einen alten Mann zusammen. Ein Video der Tat wird von der Clique an Mitschüler verschickt. Nachdem Alex' Lehrer den Film entdecken, droht der Jugendliche von der Schule zu fliegen.
Mit vorgehaltener Waffe will er schließlich erzwingen, dass die „Freunde" gestehen, ihn zur Tat gedrängt zu haben. Der Plan misslingt und Alex beschließt, sich das Leben zu nehmen.
Auf eindrucksvolle Weise gelang es Antonia Kennel und Daniel-Cornelius Mühlmann am Freitag, den Schülern die Ursachen und Folgen von Mobbing vorzuführen. In mehreren Rollen veranschaulichten sie die Fülle von Faktoren, die einen jungen Menschen vom Mobbingopfer zum Täter werden lassen – und wie wichtig es ist, sich als Beobachter einzumischen, um nicht zum Mittäter zu werden.
Dass das schnell geschieht, zeigte ein Experiment: „Es gibt drei Gruppen, die am Mobbing beteiligt sind: die Täter, die Opfer und die Zuschauer", sagte Mühlmann in der an die Aufführung anschließenden Diskussion. „Zu welcher Gruppe gehört Steht doch mal auf." Keine Reaktion bei den Stichworten „Täter" und „Opfer" ihr? – bei „Zuschauer" hingegen erhoben sich fast alle Anwesenden.
Souverän moderiert wurde der Vormittag von Schülern Alexander Bothe, Niels Kaufhold und Marvin Pohl. Organisiert hatte die Veranstaltung Lehrerin Ria Bergmann.