In DDR-Haft „Big Brother“ rund um die Uhr erlebt
10. März 2007 ,Delmenhorster Kreisblatt
An der Realschule Bookholzberg berichtet Zeitzeuge Rainer Dellmuth mit Sarkasmus und Jugendslang
Zeitzeuge und Buchautor Rainer Dellmuth (re.) mit Herbert Brandt von der Konrad-Adenauer-Stiftung in der Realschule Bookholzberg. Die 9. und 10. Klassen hörten sehr interessiert zu.
Bookholzberg (THM). Rainer Dellmuth erzählt über selbst erlebte Haftbedingungen in der DDR und im Auditorium bricht Gelächter aus. Das liegt weniger an den Zuhörern, sondern vielmehr an Dellmuths Vergangenheitsbewältigung. Mit Sarkasmus, Jugendslang und Berliner Schnauze hat er gestern die 9. und 10. Klassen der Realschule Bookholzberg über die Methoden der Staatssicherheit informiert.
Als Auszubildender habe er schon „Rotlichtbestrahlung" bekommen. „Wir sind politisch getrimmt worden", sagt der heute 58-Jährige, der sich dem System und den handelnden Personen immer widersetzt hat.
Wegen „versuchter Republikflucht und staatsgefährdender Hetze" wurde er 1967 verhaftet. „Draußen lief die Kreissäge, innen die Heizung im Sommer volle Pulle", beschrieb Dellmuth Details der psychologischen Zermürbung. „Wir hatten Big Brother rund um die Uhr", traf er den Ton der Jugendlichen.
Was denn an Schäden geblieben sei, wollte eine Schülerin wissen. „Schlafstörung und Todesängste. Alles, was Du erzählst, stelle ich in Frage. Nach drei Wochen hast Du keinen Bock mehr auf mich", erklärte der ehemalige Häftling, der 1972 wie insgesamt 35.000 politische Häftlinge von der BRD freigekauft wurde.
Seine zwei Haftzeiten in Gera und Pankow waren von katastrophalen Bedingungen geprägt. Schlafen musste er auf dem Rücken mit dem Gesicht zur Zellentür. Und nach der DDR-Zeit? „Nach der Wende habe ich mit einem Vernehmer gesprochen. Ich habe mich bedankt, weil ich wegen Personen wie ihm zum Buchautor wurde." Und dann hat Rainer Dellmuth ihm eine Widmung reingeschrieben: „Zur Erinnerung an ihren ehemaligen Arbeitsplatz." Psychologisch gekontert.
Den Auftritt Rainer Dellmuths in Bookholzberg hat die Konrad-Adenauer-Stiftung Oldenburg unterstützt. Den Kontakt zum Zeitzeugen hatten die 10. Klassen hergestellt. Sie besuchten im September die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. Besucherreferent in dem Stasi-Gefängnis war: Rainer Dellmuth
Schule an der Ellerbäke, Stedinger Strasse 5, 27777 Ganderkesee / Bookholzberg